Bilder & Berichte
2024: Radtour zum Alten Dorf Westerholt mit einer dortigen Führung
Sonntag, 26.05.2024
Dieser Sonntag zeigte sich von seiner besten Seite, es war sonnig warm, aber nicht zu heiß und der Wind wehte nur mäßig, als sich 15 Mitglieder an der Radstation des Bürgerbahnhofs zur Radtour nach Westerholt trafen.
Diese Tour war eine Idee von Sabine Fischer-Strebinger, der Leiterin unserer Stadtagentur, zusammen mit einem Besuch der Blauen Moschee. Aber dieser Besuch wurde seitens der Moschee leider kurzfristig wegen einer Hochzeit abgesagt und ein Besuch einer anderen Moschee wegen der fortgeschrittenen Zeit vor Ort dann ebenfalls. Dieser Besuch wird aber voraussichtlich im kommenden Jahr dann nachgeholt.
Ablauf der Tour
Über die Hohe Brücke ging es die Gelsenkirchener Straße, vorbei an Bauer Dalhaus, der Sommerfeldstr., dann weiter die Burelter Straße und weiter die Oberscholvener Straße bis hin zum Bellenhofsweg. Diesem Weg folgten wir bis zum Wechsel auf die Ulfkotter Straße und weiter an der Lüttighofstraße dann abknickend. Danach ging es weiter über Valentin- und Gustavstrasse bis auf auf die Polsumer Str. und weiter bis nach links zur Flachstr. Dann über die Marler Str. / Ostring fuhren wir auf der rechten Straßenseite in das große Waldgebiet von Westerholt hinein, vorbei an der Ruhestätte Natur und dem Golfclub Schloß Westerholt e.V. und dann weiter über die Baut und die Kolpingstr. bis hin zum Alten Dorf Westerholt in der Schloßstrasse.
Dort, vor der großen Kirche St. Martinus Herten, trafen wir auch Sabine Fischer, die ebenfalls gerade angekommen war. Jetzt gesellte sich auch Herr Dr. Buth vom RVR Recklinghausen zu unserer Gruppe. Er sollte uns durch das Alte Dorf Westerholt führen und uns viel von dessen Geschichte erzählen, die eine starke Ursprünglichkeit auf ca. 4 ha in mehreren Straßen- und Gassenläufen mit seinen 80 Gebäuden, von denen 58 geschützt sind, aufwies. Nun, nach der üblichen Begrüßung und gegenseitigen Vorstellung ging es auch gleich los und da an diesem Tage eine kleine Kirmes/Zirkus dort auf dem Platz vor der Kirche stattfand, gingen wir auf die andere Seite, wo es auch wesentlich leiser war. Die Brunnenanlage und den kleinen Friedhof konnten wir allerdings dadurch nicht begehen – dennoch hatte Dr. Buth auch dazu noch eine Geschichte.
Übrigens Geschichte, das Dorf Westerholt ist “voll von Geschichte”: In dessen Altstadt "wandeln” die Besucher durch enge, kleine Gassen zwischen den Fachwerkhäusern hindurch. Beinahe der ganze Dorfkern steht unter Denkmalschutz und an vielen Häusern konnte man entsprechende Sprüche, die oft auch das Alter verrieten, lesen und natürlich gibt es auch noch ein altes Schloss. Es ist ein Ortsteil von Herten im Kreis Recklinghausen seit 1975, und damit ein echtes Zeitdokument.
Zum ersten Mal wurde Westerholt im Jahr 1047 erwähnt. Das war in der „Urbare“, dem Güterverzeichnis des Klosters Werden. Knapp 150 Jahre später treten zum ersten Mal die „Herren von Westerholt“ urkundlich in Erscheinung, eine der bedeutendsten Adelsfamilien im Gerichtsbezirk Recklinghausen. Sie gehörten damals zum Hochadel, so Dr. Buth während seiner Führung. Aus Westerholt, der alten Reichsfreiheit, stammt auch das gleichnamige Adelsgeschlecht, das im Jahr 1193 erstmals erwähnt wurde. Und als später in das Dorf allmählich immer mehr Menschen einwanderten, da reichte die alte Dorfkirche, wo noch die gräfliche Familie ihren festen Platz hatte, bald nicht mehr und es musste eine neue gebaut werden - die Kirche St. Martinus, die wohl aus dem 14. Jahrhundert stammt. Rund um die alte Pfarrkirche im Dorfkern – jetzt nur noch zusammen mit der Turmruine eine Kapelle, in der auch Trauungen stattfinden - stehen 64 Fachwerkhäuser, die aus dem 17. Jahrhundert stammen und mit dem Stadttor und der Burganlage die historische Altstadt bilden. Wie berichtet wird, stammt der Name Westerholt tatsächlich von „Holz im Westen“. Mit Westen ist in diesem Fall Recklinghausen gemeint. Der Begriff „Holz“ steht stellvertretend für „Wald“. Das Land wurde damals einem besonders treuen Vasallen, also einem freien Diener eines mächtigen Schutzherrn, geschenkt. Etwas jünger als Westerholt selbst ist allerdings das Schloss. Trotzdem ist das Wasserschloss mit seinem romantischen Innenhof und den mit Stuck verzierten Decken nicht minder ansehnlich. Schloss Westerholt, das auch unter Denkmalschutz steht, wurde erst im 19. Jahrhundert gebaut und später komplett renoviert. Heute finden sich in dem prunkvollen Gebäude ein Restaurant und ein Hotel. Nebenan gibt es einen Golfplatz mit Clubhaus. Zu dem Schloss selbst ist an seinem Eingang ein Schild angebracht, dass den Werdegang bis zum heutigen Tag beschreibt (siehe Foto).
Die Besitzungen wurden im weiteren Verlauf der Geschichte an die jeweiligen Söhne Otto und Johann sowie 1927 an dessen Enkel Egon Reichsgraf von Westerholt-Gysenberg vererbt. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs verwehrten die alliierten Besatzungsbehörden dem damaligen Schlossherrn Egon zunächst wegen des Vorwurfs, NS-belastet zu sein, die Verwaltung und Nutzung seines Besitzes. Das Herrenhaus und die unmittelbaren Nebengebäude des Schlosses wurden von den amerikanischen, später englischen, Besatzungstruppen als Unterkunft genutzt. Nach Rückgabe der Verfügungsgewalt verlegte der Schlossherr – dessen Denkmal im Park noch zu sehen ist - die Wohnung seiner Familie in das umgebaute Vogelhaus. Das derweil stark verwohnte Herrenhaus wurde anschließend noch eine Zeit lang als Berglehrlingswohnheim genutzt. Danach stand das Gebäude über Jahrzehnte leer. 1993 wurde das Schloss dann einem umfassenden Umbau unterzogen und der neuen Nutzung zugeführt. Es beherbergt seitdem das erwähnte Hotel sowie ein Café-Restaurant. Nach Pest und Kriegen restaurierten die Bewohner des Dorfes die Freiheitspforte und errichteten ein Armenhaus und die Schule. Eine schlimme Zeit durchstand die Freiheit noch Ende des 18. Jahrhunderts als das Dorf zum Schauplatz einer Hexenverbrennung wurde: Anna Spiekermann wurde als Hexe zum Tode verurteilt. Westerholt gehörte damals ebenso wie Herten und das angrenzende “Vest Recklinghausen “ zum Kurfürstentum Köln. Die Dorffreiheit brachte die persönliche Freiheit des Einzelnen, Vererbbarkeit des Besitzes, den Markt, die Befestigung und die Befreiung von allen Steuern, dafür aber einen Mahlzwang, Wachdienst und Wegebaupflicht der Bewohner. Letztere waren zunächst nur Burgleute, dann aber Handwerker und Ackerbürger. Mit dem Steinkohlebergbau 1870 begann aber später eine sprunghafte industrielle Entwicklung. In der Brandstraße sahen wir wundervoll restaurierte, denkmalgeschützte Gebäude mit vielen Hausinschriften. Die Schloßstraße, frühere Hauptverbindungsstraße nach Buer, in deren Durchgang zum Schloss sich der zweite historische Zugang zur Freiheit, die Burgpforte, befand.
Nachdem nun Dr. Buth seinen Rundgang mit uns beendet und wir ihm entsprechend dafür gedankt hatten, meldete sich doch bei den meisten von uns Hunger und Durst und der dringliche Wunsch nach einer Einkehr in ein Restaurant. Da aber noch den Besuch einer benachbarten Moschee angesagt war, verschoben wir diese nach einem Vorab-Besuch von Sabine Fischer dort. Leider waren wir dafür jetzt aber bereits zu spät dran, eine neue Gruppe hatte sich bereits angesagt. Also gingen wir in das altehrwürdige Hotel-Restaurant “Alt Westerholt” und bei Kaffee und einem großen Stück Erdbeer- und Apfelkuchen (selbst gebacken) ließen wir dankbar diesen schönen, interessanten und lehrreichen Tag ausklingen – allerdings nicht ohne zuvor auch Sabine Fischer-Strebinger ein ganz herzliches Dankeschön für die Organisation dieser besonderen Exkursion zu sagen.