Bilder & Berichte
2018: Radtour zu versteckten und verborgenen Orten unserer Stadt
Sonntag, 22.04.2018
Die Wetterbedingungen an diesem Sonntagvormittag waren ausgezeichnet und ebenso die Tourenleitung mit dem stadtbekannten und in 2010 vom Rat der Stadt Dorsten mit der silbernen Stadtplakette gewürdigte Heimatkenner, Forscher und Sammler Walter Biermann bestens besetzt.
Und so wunderte es auch nicht, dass sich für diese Rundfahrt per Rad ca. 25 Personen – Vereinsmitglieder wie auch Gäste und Freunde interessierten. Walter Biermann hatte sich gut vorbereitet, nicht nur mit umfangreichem und detaillierten Wissen um ehemalige Dorstener Betriebe, Infrastruktur, Familien und einzelnen Personen, sondern hatte auch eindrucksvolle und anschauliche Fotos vergangener Zeiten im Gepäck. Und so ging es auch schon gleich am Atlantisbad los – dem Gelände der ehemaligen Anstalten der barmherzigen Brüder von Montabaur – heute Maria Lindenhof.
Ablauf der Tour
Über die Brüderstrasse ging es hoch auf die Hochstadenbrücke und dort auf der Mercaden-Seite wieder herunter, unter der Brücke des Wesel-Datteln-Kanals hindurch in das Lippetal. Dort konnte er uns nicht nur die Reste der damaligen Fluß-Badeanstalt zeigen, sondern auch das Wohnhaus der heute noch existierenden Möbeltransportfirma Lüning – incl. alten Fotos der damaligen Möbelwagen.
Weiter ging es an dieser Kanalseite, vorbei am Yachthafen und dem Gelände des ehemaligen Kohlehafens der Dorstener RAG-Zeche Fürst Leopold: Nach einem Bericht der DZ in 2016 soll hier möglicherweise eine „Wasserstadt“, eine Marina für den gesamten Bereich zwischen Eislaufhalle bis hin zum östlichen Ende des alten Kohlehafens entstehen und es wurde bereits vor mehr als zehn Jahren ein Konzept entwickelt, das Wohnen, Arbeiten, Landschaftsarchitektur und Sportboot-Freizeitmöglichkeiten miteinander vereinbaren soll. Die inzwischen bodensanierte Fläche des 2002 aufgegebenen RAG-Kohlehafens, ist Bestandteil einer Entwicklungsvereinbarung, die das Land, die RAG, der RVR und die Stadt Dorsten 2014 unterzeichnet hatten. Der Ex-Zechenhafen samt städtebaulicher Entwicklung zwischen Lippe und Kanal ist in einer Machbarkeitsstudie im Auftrag des Regionalverbands Ruhr (RVR) aufgetaucht, die kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. In dieser geht es um eine mögliche Bewerbung des Ruhrgebiets für die Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) 2027.
Weiter ging unsere historische Rundtour jetzt an den Rapphoffs Mühlenbach im Bereich Ovelgünne. Hier steht die Villa Keller, ebenfalls ein Areal und ein Haus mit Historie. Sie war das damalige Wohnhaus des Direktors der dortigen Dorstener Glashütte. Heute ist dieses schöne parkähnliche Anwesen eine Wohnstätte der Dorstener Lebenshilfe für 24 erwachsene behinderte Menschen – nach erfolgtem Umbau in 1989.
Hinter einer Reitanlage und dem hinteren Teil des Segelflugplatzes incl. Gaststätte führte der Weg in den sog. „Judenbusch“ mit seinem historischen Friedhof. Das ganze Areal liegt in einer grünen Idylle – mit Anlagen des Lippeverbandes, Feuchtbiotopen, Buchenwald mit Grillhütte, der Stadtgärtnerei, einem Schrebergartengelände, einem kleinen Lager der weltlichen Pfadfinder und einem freigelegten Kilometerstein, der noch an die ehemalige, schwere Treidelschifffahrt auf der Lippe erinnert.
Von dort aus ging es über die Kanal-Brücke mit Blick sowohl auf das Gelände des Segelflugplatzes als auch hin zur Schleuse und dann runter auf den Hammer Weg, vorbei an der Schleuse. Hier in dieser Gegend, fand viel „Geschichte“ statt, wie Walter Biermann eindrucksvoll erklären und mit Bildmaterial untermauern konnte. Der Weg auf dem Hammer Weg in Richtung Dorfstraße, linksseitig das NSG „Lippeaue“, führte dann vorbei an dem ca. 2ha großen Gelände der Dorstener Bogenschützen und etwas weiter ebenfalls zu einer „Geschichts-Station“, einer ehemaligen Kugelfang-Aufschüttung während der NS-Zeit für Schießübungen der Wehrmachtssoldaten mit Gewehren u.s.w. – heute natürlich alles bewachsen.
Weiter ging die Tour dann nach links über die alte Dorfbrücke mit schönem Blick auf die dort mit Stromschnellen behaftete Lippe bis zum Gerätehaus der freiwilligen Feuerwehr Dorf Hervest, dem früheren Standort der Paulus Schule. In diesem Bereich kam es bei Kriegsende im März 1945 noch leichte Gefechte zwischen den anrückenden Amerikanern und der Wehrmacht. Es geht auf der Dorfstraße weiter in Richtung Halterner Straße und dann weiter geradeaus auf die Alte Hervester Straße. Hier konnte Walter Biermann uns am Brauckweg ein altes Haus zeigen, sowohl auf einem Foto als auch in natura, vor dem damals ein Bunker für die Bewohner errichtet wurde. Ein bepflanzter Hügel auf der rechten Straßenseite zeugt davon noch heute.
Über den Abzweig „Am Röhrken“ ging es weiter bis zur Kreuzung Gälkenheide / Wedenhof und hier zunächst bis zur Brückenüberführung über den idyllisch dahinfließenden Wienbach (hier mit beidseitiger Bordsteinbegrenzung für die breiten landwirtschaftlichen Fahrzeuge). Nach Querung der nach Wulfen führenden Schnellstrasse K41, „An der Wienbecke“ ging es etwas weiter nördlich in die Strasse „Am roten Stein“. Hier konnte uns der Tourenleiter ein Stück eisenhaltiges Mineral zeigen (Roteisenstein, Ruhrbergbau) dass in diesem Bereich zu finden ist. Die geschichtsträchtige Tour ist noch lange nicht beendet und geht jetzt auf der Gälkenheide weiter nach Süden und mündet ein in die Wohngegend Riedweg mit naturnahem bergbaubedingtem Feuchtbiotop vor dem Ortseingang Dorsten-Holsterhausen. Es geht nach links in den Luner Weg (abgeleitet von der Lune/Wenge; geradeaus geht es weiter in den Möllenweg (abgeleitet von der dortigen ehemaligen Mühle / Sägewerk Lorey). Nach links abbiegend geht es unter den beiden Tunneln der NordWestBahn-Gleise (der „Coesfelder“ und der „Borkener“) hindurch – die dortige alte Brücke wurde im Kriege gesprengt und so ein größtmöglicher Schaden angerichtet; „Gleisdreieck“) - über den Kreisel der K41, nach links vorbei am soziokulturen Zentrum „das Leo“ bis zum Platz vor der Sparkasse Vest am Eingang der Freiliggrathstrasse in Hervest Dorsten.
Hier wurde noch auf 2 weitere ehemalige Personen der Zeitgeschichte hingewiesen, denen aus verschiedensten Gründen dort ein Denkmal gesetzt wurden: 1. für den Bürovorsteher der Zeche, Otto Kohlmann, der 1919 von Spartakisten erschossen wurde und 2. für den von belgischen Besatzungssoldaten 1923 erschossenen Bergmann Leo Sadecki. Es wurde 1933 feierlich eingeweiht und musste nach dem Krieg dem Kanalbau weichen. Vermutlich ist es in irgendwelchen Fundamenten verschwunden; eine Straße in unmittelbarer Nähe trägt noch seinen Namen.
An dieser Stelle endete dann auch diese lehrreiche und interessante, themenbezogene Radtour. Ganz herzlichen Dank dafür, Walter Biermann!