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2023: Radtour mit Architektin Barbara Pötsch und Volker Jenau zum Thema Denkmalschutz für Gebäude und Liegenschaften

Sonntag, 08.10.2023

Das Denkmalschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen trat am 1. Juli 1980 in Kraft und wurde im April 2022 novelliert.

Mit dem Gesetz werden verschiedene Arten von Sachen geschützt: Baudenkmäler, Bodendenkmäler und Gartendenkmäler. Historische Ortskerne, Siedlungen oder Gehöftgruppen beispielsweise können in Denkmalbereichen in der Fläche unter Schutz gestellt werden. Für alle gilt: Der Erhalt und die Nutzung liegen im öffentlichen Interesse. Ein öffentliches Interesse besteht, wenn die Denkmäler bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen.

Ablauf der Tour

Bei dieser Radtour zeigte Barbara Pötsch, praktische Denkmalpflegerin bei der Stadt Essen, 28 interessierten Mitgliedern und Gästen an mehreren Orten die Verschiedenartigkeit von Denkmälern in Dorsten. Vom Ausgangspunkt an der Radstation geht es erst einmal zu Fuß zum fast fertig gestellten zukünftigen Bürgerbahnhof, ein für Dorsten gut bekanntes denkmalgeschütztes Bauwerk. Barbara Pötsch lädt die Teilnehmer*innen ein, auf den bereits fertiggestellten Vorplatz zu treten, um das ehemalige Empfangsgebäude des Bahnhofs besser betrachten zu können. Über das Gebäude sagt sie: Das Empfangsgebäude des Bahnhofs aus dem Jahr 1879 (Inbetriebnahme) steht mit dem Eintrag in die Denkmalliste der Stadt Dorsten seit 1986 unter Denkmalschutz. Als charakteristische Merkmale werden in der Denkmalkarteikarte die im Stil des Historismus gestaltete Fassade mit den durch hölzerne Streben gestützten Dachüberüberständen genannt. Auch die Insellage des Gebäudes wird hervorgehoben. Der Ziegelbau besteht aus einem zweieinhalb geschossigen Hauptgebäude und einem eineinhalb geschossigen Flügelanbau. Ziel der Umbaumaßnahmen zum Bürgerbahnhof war neben den erforderlichen neuen Einbauten die Instandsetzung der historischen Bausubstanz sowie die Wiederherstellung des historischen Gebäudecharakters. Damit wurden die wenig behutsam durchgeführten baulichen Änderungen der vergangenen Jahrzehnte korrigiert. Beispielsweise wurden dabei im Erdgeschoss überdimensionierte Wandöffnungen und Durchbrüche wieder geschlossen und die historischen Bögen, die für den ursprünglichen Hallencharakter prägend waren, wieder hergestellt. Die Gebäudehülle wurde im Zuge der Umbaumaßnahmen überarbeitet, ergänzt und restauriert. So wurde das bauzeitliche Erscheinungsbild im Hinblick auf die Farbgebung durch das verwendete Material im Sinne des Historismus wieder herausgearbeitet: rote Ziegelfassade, braune Holzfenster und schwarze Dacheindeckung aus Schiefer. Das ehemalige Empfangsgebäude ist für die Stadt Dorsten von baukünstlerischer, stadtbau- und verkehrsgeschichtlicher Bedeutung.

Es ging weiter, am Wasserturm vorbei, der zwischen 1920 und 1930 gebaut wurde und eine der ersten Stahlbetonkonstruktionen bis in die 1960er-Jahre hinein zur Befüllung von Lokomotiven mit Wasser diente, hat seit 1992 eine neue Nutzung. Der Dorstener Architekt Frodermann hatte ihn seinerzeit erworben und völlig umgebaut, um ihn privat und arbeitstechnisch nutzen zu können. Es ist ein viereckiger Ziegelbau unter flacher Zeithaube. Ebenerdig ist er durch vier große Spitzbögen offen. Neben verkehrsgeschichtlichen sind auch wissenschaftliche Gründe zu nennen. Dann ging es weiter zum aufgelassenen ev. Friedhof am Ende der Feldhausener Strasse. Barbara Pötsch : wir stehen hier vor dem westlichen Teil des ehemaligen Friedhofes mit verschiedenen Grabmonumenten (Einzel- wie auch Familienbegräbnis) klassizistischer Art bzw. der Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Für die Erhaltung und Nutzung liegen uns wissenschaftliche und volkskundliche Gründe vor, die das Brauchtum dieser Zeit dokumentieren. Jetzt ging es zur Hülsdünker Mühle am renaturierten Schölzbach. Hier hatte man im Rahmen des “Wir machen MITte”-Projektes einen “Balkon” mit einer Info-Stele installiert. Hier hielten wir an und Barbara Pötsch führte aus: die ehemalige Hülsdünker Mühle ist ein dreigeschossiges Ziegelhaus mit einem Krüppelwalmdach, wobei die beiden unteren Stockwerke die alte Lohmühle von 1804 umfassten, während das dritte Geschoß 1936 entstand. Das zerstörte Wasserrad wurde restlos beseitigt. Die Spur des alten Radkastens sind aber noch heute sichtbar. Sie war für die Stadt von wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung und liegt heute privat genutzt in idyllischer Lage am Schölzbach mit seinem Rückhaltebecken.

Jetzt sind wir vor dem Amtsgerichtsgebäude auf dem Alten Postweg 36 angelangt. Es ist ein dominantes und beeindruckendes Klinker-Gebäude von 1929, von Regierungsbaurat Wittneben vom Staatlichen Neubauamt erbaut. Alle Formen wirken besonders durch ihre vor- und rückspringenden und gestaffelten Gliederungen mit reichen Möglichkeiten für das Spiel von Licht und Schatten. Das Amtsgerichtsgebäude nimmt in seiner expressionistischen Prägung einen herausragenden Platz unter den Gebäuden dieser Stilepoche ein. Neben seiner städtebaulichen Bedeutung ist es auch ein Dokument für die Geschichte der Rechtspflege in der Stadt Dorsten. Anmerkung vom Verfasser: Der Unterschied zwischen Amtsgericht und Landgericht liegt in der Zuständigkeit und der Instanz. Das Amtsgericht ist die unterste regionale Institution und für Schäden bis 10.000 Euro sowie für Familiensachen und notarielle oder rechtspflegerische Angelegenheiten zuständig. Das Landgericht ist die zweite Instanz und Berufungsgericht gegen das Amtsgericht. Es ist auch für Zivilsachen mit hohem Streitwert in erster Instanz zuständig.

Wir radeln jetzt gemeinsam über die Straßen Westwall, Wiesenstraße, Markt und Recklinghäuser Straße, alles Teile des Denkmals: „Altstadtkern, Stadtgrundriss und historisches Straßennetz“, hin zum Alten Rathaus und zur bekannten Kirche St. Agatha. Zunächst standen wir am Brunnen von Schwester Paula und Barbara Pötsch referierte zu dem innerstädtischen Aufriß der Stadtmitte wie folgt: Die mittelalterliche Stadtanlage (Stadtrechte 1251) die im Dreißigjährigen Krieg nochmals verstärkt wurde, blieb im Grundsatz im Wesentlichen bis heute erhalten, auch noch nach der Zerstörung im Frühjahr 1945. Die umgebenden Befestigungsanlagen wurden allerdings bereits 1674 und im 19. Jahrhundert teilweise zerstört. Die Bedeutung für die Stadt Dorsten liegt eben in dem noch heute existierenden Stadtgrundriß und die historische Entwicklung der Stadtanlagen im ehemaligen Vest Recklinghausen.

Dann ging es vor das 1986 neu angestrichene Alte Rathaus, die ehemalige Stadtwaage, ist ein zweigeschossiges Traufenhaus mit Walmdach. Es wurde 1567 als Stadtwaage erbaut. 1797 erfolgte der Umbau zum Rathaus mit Laubenhalle. Es ist eine klassizistische Gestaltung, umlaufendes Zahnschnittgesims und über der Fassade ein kleines Giebeldreieck. Ursprünglich Sitz des Heimatmuseums, beherbergt es heute den “Trägerverein Altes Rathaus e.V.” der in dem Bürgerhaus heute kulturelle Ereignisse und Vorträge anbietet, auch Trauungen und diverse andere Vor- und -aufführungen u.s.w. sind im Portfolio des Vereins vorhanden. Der vormalige blaue Farbanstrich wurde denkmalpflegerisch abgelehnt und musste entsprechend neu gestaltet werden. Anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens im Jahr 1997 finanzierte die Vereinte Volksbank dann ebenfalls einen größeren Geldbetrag zur fach- und denkmalschutzgerechten Restaurierung. Diese erfolgte durch das Europäische Zentrum Schloss Raesfeld und das Westfälische Amt für Denkmalpflege Münster. Städtebaulich ist es eine bedeutende Lage zwischen Marktplatz und Kirche, es gibt Zeugnis der Stadtgeschichtliche und ist daher von überörtlicher Bedeutung sowie auch baukünstlerisch und baugeschichtlich.

Es ging jetzt hinüber zur Agatha-Kirche und Barbara Pötsch weiter: Der Neubau einer dreischiffigen Hallenkirche 1952 ist nach nach Plänen des Kölner Architekten Otto Bongartz gebaut, In der Kirche befinden sich ein großer Teil der geretteten und restaurierten älteren Ausstattung. Neben den eingemauerten alten Schlußsteinen sind hier hervorzuheben z.B. der spätromantische Taufstein, drei Renaissance-Epitaphien um 1600, ein Vesperbild aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, eine Bischofsstatue aus dem 18. Jahrhundert, sowie eine spätgotische, vergoldete Monstranz von ca.1450 und auch eine kleine Orgel im Altarraum, die denkmalgeschützt ist. Hier stehen nicht das Gotteshaus selbst unter Denkmalschutz sondern insbesondere die im Innern vorhandene und erhaltene historische Ausstattung steht unter Denkmalschutz.

Wir radeln jetzt über den Deich am Kanal über die ehemalige Bahntrasse rüber nach Holsterhausen-Dorf, vorbei an der Antonius - Grundschule und der ehemaligen Gaststätte Duve auf die andere Seite der Hauptstraße zu der markanten - und dort zunächst zu der alten Dorfkirche. Barbara Pötsch erklärte uns zu diesem bis heute zentralen Bauwerk die Dominanz dieser seit 1915 profanierten Kirche des alten Ortskerns von Holsterhausen: Sie ist sowohl städtebaulich als auch baukünstlerisch und baugschichtlich von überörtlicher Bedeutung. Ursprünglich als Pfarrsaal genutzt dient sie heute als Gemeinschaftsraum des Jugendheims. Es ist eine Saalkirche mit Westturm aus dem 15. Jh. der Chor wurde 1443 an das bestehende Kirchenschiff angebaut. das Dach der Kirche und der Turm wurde durch eien Brand zerstört und 1618 wieder aufgebaut. Gotisierung der Fenster des Schiffes 1870. Die höher gezogenen spitzbogigen Fenster des Chores sind vermutlich ursprünglich. Dann ging es weiter zur heutigen großen Antonius -Kirche an der gleichnamigen Straße. Sie ist eine neugotische, dreischiffige Basilika mit Querhaus, Choranlage und Turm in spätgotischen Formen und wurde 1912 - 1913 von dem Düsseldorfer Architekten Josef Kaufhold gebaut. Schon während der Bauzeit traten am Dach und am Turmhelm infolge mangelhafter Konstruktion Schäden auf. Nach dem 2. Weltkrieg dann grundlegender Umbau durch Otto Bongartz. Der Abbruch des Mittelschiffs und der Turmkrönung wurde von der Baupolizei verlangt. Bongartz wandelte daraufhin den Richtungsbau in einen kreuzförmigen Zentralbau mit dem Chor und dem Querhaus der ursprünglichen Kirche. Der Turm wurde freistehend und der Restbau (Langhaus) als verbindender Innenhof angelegt. 1942 und 1943 zerstörten dann heftige Stürme die Kirche und wegen der Baufälligkeit musste der hohe, ursprünglich 75 m hohe Turm abgetragen werden und 1950 in der riesigen Ruine dann ein kleinerer Kirchenraum eingebaut werden. Die baulich gesicherte Ruine blieb bestehen und zeugt heute als “Paradies” von den verflogenden einstigen Träumen der Gemeinde.

Jetzt verlassen wir die Antonius-Kirche und fahren per Rad vom Dorf in die Kolonie Holsterhausen über die Freiheitsstraße und nach links zur Düppelstraße bis Haus Nr. 16, kurz nachdem wir die Wrangelstraße gekreuzt hatten. Hier spricht jetzt Volker Jenau und sagt und zeigt uns auch beispielhaft die jeweiligen Häuser, die alle in Eigenregie umgebaut, angebaut oder sonst wie verändert wurden. Ein System ist hier nicht erkennbar. Es geht wieder weiter bis hin zur ebenfalls dem Denkmalschutz unterworfenen Amtsverwaltung an der Halterner Straße 5 . Auf dem Parkplatz übernimmt wieder Barbara Pötsch und führt aus: Das Rathaus ist bedeutend für die Geschichte der Stadt und deren Umgebung und wurde 1954/56 von der Architektengemeinschaft Prof. Hein Stappmann, Krefeld und Karl-Heinz Schwirtz aus Duisburg-Homberg errichtet. Das Gebäudensemble dokumentiert die Verwaltungsgeschichte des Landes NRW, da es ursprünglich als Amtshaus geplant und genutzt wurde, um nach der kommunalen Gebietsreform ab 1975 als Rathaus der ganzen Stadt Dorsten zu dienen. Für die Erhaltung und Nutzung des Rathauses liegen wissenschaftliche, hier architekturhistorische Gründe vor. Es ist ein bedeutendes Zeugnis der Dorstener Baugeschichte und ein Beispiel für die Errichtung neuer Verwaltungsgebäude in der Nachkriegszeit. Vorder- und Rückseite des in Stahlbetonskelett-Bauweise ausgeführten Hauptgebäudes sind in der Fassadengestaltung nahezu identisch aufgebaut, ohne größere repräsentative Ansprüche ableiten zu wollen. Gleichzeitig wird die Fassade durch den Einsatz der farbigen Klinker, der zudem alle Gebäudeteile formal zusammenfasst, aufgelockert und eine reine, abweisend wirkende Funktionalität vermieden, was auch im Inneren durch wenige, aber gelungende Akzente wie die verschiedenen Treppenaufgänge erzielt worden ist. Der Standort des als Amtshaus errichteten Gebäudes wurde bewußt ausserhalb der Altstadt Dorstens am Gemeindedreieck zwischen der Altstadt und den Stadtteilen Hervest und Holsterhausen gewählt, um so eine räumliche Schnittstelle, eine größere Verbundenheit und Gleichberechtigung zwischen den einzelnen Gemeinden des Amtes Hervest-Dorsten zu schaffen.

Wir setzen uns wieder auf unsere Räder und weiter geht es zum eigentlich letzten Punkt unserer Denkmal-Reise, der evangelischen Kreuzkirche in Hervest, An der Landwehr 65 - die wir über die Joachimstraße anfahren. Auch hier übernimmt Barbara Pötsch und erklärt uns das: Diese evangelische Kirche besteht aus vier Teilen, die additiv zusammengestellt sind und sich präzise voneinander abgrenzen. Der quadratische Kirchenraum als Hauptgebäude wird begleitet von einer eingeschossigen Sakristei, von einem separat stehenden Vordach und von einem schlanken Turm. sie steht auf quadratischen Grundriss und trägt ein diagonal aufgesetztes Satteldach mit Metalldeckung und einer hohen weißen Attika. Die beiden Tiefpunkte des Daches sind weit nach unten gezogen und ergeben auf diese Weise vier Außenwände mit schrägen oberen Konturen - je zwei Außenwände ergeben einen Außenwandwinkel” und markieren je eine hohe Ecke des Grundrisses. Denkmalwert ist das Kirchengebäude einschl. der Sakristei, Turm und dem frei stehenden Vordach. Zum Umfang zählen auch die als denkmalwert erkannte Ausstattung und die kartierte Freifläche mit ihren denkmalwerten Bestandteilen. Nicht denkmalwert sind die übrigen Bestandteile der Ausstattung, die nachträglich eingebaute Altarwand sowie Nebengebäude “An der Landwehr 63” und “Glück-Auf-Straße 8. Diese beiden Straßen bilden einen spitzen Winkel und ergeben so eine dreieckige Freifläche, die teilweise Parkplatz und teilweise als städtische Grünfläche ausgewiesen ist. Diese Freifläche wird durch den als Campanile hoch aufragenden Turm, aber auch durch das bauliche Volumen der Kirche bestimmt. der parkartige Baumbestand östlich der Kirche dient gleichzeitig als ästhetisch überaus überzeugende Rahmung des Hauptzugangsweges zur Kirche.

Die Weiterfahrt zum Brunnenplatz soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden, da wir diesen und die gesamte Bergbau-Siedlung - ebenfalls denkmalgeschützt - einschl. Garten im kommenden Jahr in unserem Programm abbilden werden. Der Verkehrsverein sagt der Architektin Barbara Pötsch und Volker Jenau - beide sind Mitglieder des Dorstener Bergbauvereins - ganz herzlichen und lieben Dank für diese tolle Exkursion durch einen wesentlichen Teil der Denkmal geschützten Baukörper und Liegenschaften in Dorsten. Es war wieder einmal sehr lehrreich, äußerst interessant und natürlich auch wieder unterhaltsam.

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