Tisa-Relief
Der Verkehrsverein für Dorsten und Herrlichkeit e.V. hat sich u.a. die Förderung von Kunst und Kultur in ideeller und finanzieller Hinsicht zur Aufgabe gemacht. Im Rahmen dieser Aufgabe hat der Verkehrsverein die Gestaltung und Aufstellung eines Bronze-Reliefs zur Künstlerin Tisa von der Schulenburg (Schwester Paula) beschlossen und begleitet.
Die Idee des Verkehrsvereins wurde durch die Sparkasse Vest und den Altstadtfonds, der bei der Stadt Dorsten im Rahmen des Stadterneuerungsprogramms „Wir machen Mitte“ eingerichtet wurde, unterstützt. Herzlichen Dank an die Stadt Dorsten, „Wir machen Mitte“ und die Sparkasse Vest Recklinghausen.
Tisa von der Schulenburg
Im Jahr 1903 wird Elisabeth, Mary, Caroline, Veronika, Margarete Gräfin von der Schulenburg auf dem elterlichen Gut in Mecklenburg geboren – Rufname Tisa. Von 1925 – 1928 studierte sie an der Berliner Kunstakademie und an der Kunstschule Cola Rossi in Paris. 1934 erfolgte die Emigration nach England. Tisa von der Schulenburg wird Mitglied der Artist´s International Association. Sie lernt Henry Moore kennen, mit dem sie eine Freundschaft verbindet.
Tisa von der Schulenburg begann mit Arbeitslosen zu zeichnen und zu schnitzen. Manchen von ihnen hat der Umgang mit der Kunst wieder Hoffnung und Würde ge-schenkt.. An ihre englischen Erfahrungen knüpfte Tisa von der Schulenburg an, als sie 1947 als Korrespondentin für die „Welt“ in das Ruhrgebiet kam und für ein halbes Jahr in Bochum-Hordel wohnte. Sie fuhr wiederholt in viele benachbarte Zechen ein und vervollständigte darüber ihr Wissen über den Bergbau. Für eine Weile gab sie Schnitzunterricht in der Invalidenwerkstatt der Zeche Hannover.
Im Jahr 1950 trat Tisa mit 46 Jahren als Schwester Paula in das Ursulinen-Kloster in Dorsten ein. Als Schwester Paula wurde sie Kunstgeschichts- und Zeichenlehrerin und ab 1962 widmetet sie sich ganz ihrer Kunst. Das zeitweilige Versagen ihrer Hände bei der schweren Arbeit an Holz und Stein wurde für Tisa zum Anstoß, eine neue Kunstform zu wählen: die Grafik. Hierin drückt sie ihr tiefes soziales und menschliches Engagement aus.
Nach der Aufhebung der strengen Klausur konnte sie Aufträge außerhalb des Klosters annehmen, wie z. B. den Auftrag der Kreissparkasse zur Gestaltung des Brunnens auf dem Marktplatz von Dorsten, heute als Replik zwischen Altem Rathaus und St. Agatha Kirche. Die Stadt Dorsten schätzte sich glücklich, eine so ungewöhnliche und engagierte Persönlichkeit und Künstlerin in ihrer Stadt zu wissen und verlieh ihr am 16.09.1972 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Dorsten. 20 Jahre später wurde die Tisa von der Schulenburg-Stiftung gegründet. 1994 erhielt Sie aus den Händen der damaligen Bundesministerin für Frauen und Jugend, Angela Merkel, das Bundesverdienstkreuz.
Die Begegnung mit englischen Bergleuten war für Tisa der Beginn einer lebenslangen Auseinandersetzung mit dem Thema „Das Leben und Arbeiten der Bergarbeiter“. Deren Arbeitswelt hat Tisa von der Schulenburg künstlerisch stets inspiriert. Noch in den letzten Jahren hat sie die Bergleute in Dorsten unterstützt bei der Mahnwache vor Fürst Leopold, die die Schließung der Zeche jedoch nicht verhindern konnte.
Elisabeth „Tisa“ Gräfin von der Schulenburg wurde 97 Jahre alt und starb am 08.Februar 2001. Die in Dorsten ehemals wirkende und lebende Ehrenbürgerin Tisa von der Schulenburg aus dem mecklenburgischen Tressow genießt eine hohe Erwartungshaltung und Wertschätzung in Dorsten. Ursuline, Malerin, Bildhauerin, Schriftstellerin: Es ist ihre Neugier für die Menschen und deren Schicksal. Sie nimmt Anteil und kämpft mit ihren Mitteln und Möglichkeiten gegen Not, Elend, Gleichgültigkeit und Vergesslichkeit der Menschen.
In ihrer reichen Zeit als Künstlerin entstanden:
- eine Reihe von religiösen Kunstwerken,
- zahlreiche Tusche-Zeichnungen und Reliefs,
- zu den Juden-Pogromen während des Dritten Reiches,
- zu den Kriegen in Vietnam, Afrika und im Nahen Osten,
- zu den Verhungernden in Biafra und Äthiopien,
- zu den Ereignissen in Chile,
- zu den ausgestoßenen Lepra-Kranken,
- zur sozialen Not in den Ländern der Dritten Welt.
Seit den 1960er Jahren war sie nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Ihre engagierten Werke aus Bronze oder Stein finden sich an prominenten Stellen wie am Ehrenmal mit einem beeindruckenden Antikriegszyklus oder dem Brunnen der Stadtgeschichte auf dem Marktplatz, heute als Replik am Kirchplatz St. Agatha. Aber auch ihre persönliche Präsenz, ob im angeregten Austausch mit dem Künstler Antonio Filippin im Eiscafè am Markt oder ihr Einsatz bei der Mahnwache auf der Zeche Fürst Leopold vor 25 Jahren - die freundliche Frau mit der Baskenmütze, die so viel Energie ausstrahlte, die immer ein Auge für die Nöte der Menschen hatte, ist Vielen im Gedächtnis geblieben.
Weitere Informationen finden Sie im Netz unter: www.tisa-stiftung.de.
Informationen zum Relief
1982 nahm Kastulus Wolf, neu nach Dorsten gezogen, den Brunnen auf dem Marktplatz erstmals wahr. Viele Jahre später bekam er die Chance mit anderen Kunstbegeisterten einer Führung durch das Atelier von Tisa. Schwester Barbara zeigte Werke von Schwester Paula im Souterrain der Ursulinen-Schule. Die Werke, Plastiken und Zeichnungen, die Werkzeuge und die Erläuterungen von Schwester Barbara hinterließen bei ihm einen tiefen Eindruck.
Nach Abriss des Brunnens auf dem Marktplatz stellte er sich die Aufgabe, Aussage und Botschaft der Betonreliefs von Tisa in Anlehnung an ihre Handschrift in ein anderes Material, Bronze, zu transformieren. Diese intensive Beschäftigung mit ihrer Handschrift in Beton führte ihn zu Tisas anderen Ausdrucksformen der Zeichnung sowie des Reliefs in Metallen (Bronze / Aluminium). Die Verbindung Zeichnung und Relief, wie es z.B. in den acht Bronzeplatten des Hamborner Brunnens zu sehen ist, steht in einem klaren Kontrast zu ihrem Werk in Beton. Tisa hat Wolf zu der künstlerischen Form des Reliefs angeregt. Diese Form der spezifischen Perspektiven gegenüber der Vollplastik hat einen ganz besonderen Charme. Die Anfrage und letztendlich der Auftrag des Dorstener Verkehrsvereins hat seine Beschäftigung mit der Künstlerin und dem Menschen Tisa von der Schulenburg intensiviert.
Auf Basis von diversen Fotografien, die vom Ursulinen Kloster und dem Tisa-Archiv, zur Verfügung gestellt wurden, konnten die ausdrucksstarken Elemente des Gesichts von Tisa definiert werden. Zeitzeugen, die Tisa persönlich kannten, halfen die letzten Details am Gipsmodell zu optimieren. Kastulus Wolf wünscht den Dorstenern und allen Tisa-Freunden über diese Stadt hinaus, ein Innehalten in Augenhöhe und ein Gedenken an Tisa und ihre in ihrem Brunnen manifestierten Botschaften.
Kastulus A. Wolf
Kastulus A. Wolf lebt in Schermbeck und gestaltet seit 2010 Plastiken in Wachs, Ton und Gips, die er in Bronze gießen lässt.
Neben Köpfen von lebenden und verstorbenen Personen und gesellschaftskritischen Botschaften genießt der Künstler, Werke u.a. von Moore, Giaccometti, Picasso und Tisa von der Schulenburg zu interpretieren.
Seine besondere Freude gilt seinen beiden Plastiken im öffentlichen Raum Dorstens:
- 2019 - Rossini,
- 2022 - Tisa.
Weitere Informationen finden Sie im Netz unter: www.kastulus-wolf.com.